Handelsblatt Nr. 159 vom 20.08.01 Seite n03Â NetzwertÂ
20.08.2001 Gelobtes Land In Israel liegen Hightech und Glaubenskrieg nah beieinander. Kehren ausländische Investoren dem Land jetzt den Rücken? VARDINA HILLOO HANDELSBLATT
Die Angst vor der Bombe gehört zum Alltag. Und ausgerechnet in einem Café mit Namen Wall Street, in einem Vorort der israelischen Hafenstadt Haifa, explodierte erst Anfang vergangener Woche ein Sprengsatz. Der Selbstmordattentäter starb sofort, 21 Gäste wurden dank der Geistesgegenwart der Kellnerin nur verletzt. Yossi Rabi aber will von Terrorstimmung wenig wissen - er will die Gemüter beruhigen. Der Mitgründer des ersten staatlichen Wagniskapitalfonds Yozma und langjähriger Kenner der Szene in Israel glaubt, dass sich ausländische Investoren "an den Zustand der Unsicherheit gewöhnen. Sie sehen den hohen Stand der Technologie in Israel." Unbestritten: Das Land ist eine Hightech-Oase. Die Großen der digitalen Wirtschaft lassen hier forschen und entwicklen, Wagnisfinanzierer wie Benchmark Capital und Computerkonzerne wie IBM oder Intel glauben weiter an die wunderbare Geldvermehrung im gelobten Land. Keimzelle vieler innovativer Unternehmen ist das Silicon Wadi (Flussbett), das in einem Tal zwischen Tel Aviv, Haifa und Jerusalem liegt, das Zentrum ist Herzliya. Natürlich konnte sich auch Israel vom tiefen Fall des internationalen Hightech-Sektors nicht abkoppeln. In den vergangenen Monaten mussten etwa 100 Startups aufgeben, zählten die Wirtschaftsprüfer von Pricewaterhouse Coopers. Und die Giga Information Group schätzt, dass bis Jahresende aus wirtschaftlichen Gründen jedes dritte israelische Startup dichtmacht. Doch Israel scheint seinen Ruf als einer der wichtigsten IT-Standorte zu verteidigen. Noch hat sich kein Wagniskapitalgeber zurückgezogen - im Gegenteil: Ausländische Investoren schätzen das kleine Land nach wie vor als Alternative zu den ebenfalls eingebrochenen Heimatmärkten. "Der Standort Israel ist nicht mehr wegzudenken", sagt Markus Müller von Blumencron, Geschäftsführer des Berlin Capital Fund (BCF). "Cisco, Intel, die großen VC-Gesellschaften - wer etwas mit Hightech und Venture Capital zu tun hat, ist schon längst vor Ort." BCF, die Venture-Capital-Tochter der Bankgesellschaft und der Landesbank Berlin, investiert seit Anfang August in Israel, auch in den mittlerweile privaten Fonds Yozma III. "Gegen die Wellen der Gewalt kann man nichts machen", sagt Müller von Blumencron. Und deshalb überlegen auch weitere Geldgeber den Einstieg: "Noch ist es nicht zu spät." Mit dem Engagement in Israel folgt BCF dem Beispiel von Star Ventures, Apax und TFG, die schon seit langem gezielt dort investieren und an Rückzug nicht denken. "Israel ist ein Land, in dem ein Wagniskapitalgeber vertreten sein muss", bestätigt Joachim Schumacher, bei der TFG zuständig für die Beteiligungen in Israel. Nirgendwo sonst sei das Know-how für Technologien in einer solchen Konzentration zu finden. Ausländische Investoren treiben weder Gewalt noch Börsenflauten aus dem gelobten Land. Ungemach droht von ganz anderer Seite: "So lange sich die Steuersituation in Israel nicht ändert", wettert Gerald Segal von der Investmentbank Bear, Stearns & Co., "werden wir auch nicht mehr in die dortigen VC investieren". Das Problem: Viele ausländische Investoren müssen in Israel rund 20 % Steuern auf Gewinne aus ihren Fondsbeteiligungen zahlen.
Der israelische Branchenverband IVA warnte Ende Juli eindringlich vor dem Austrocknen der Geldströme, wenn die Regierung die bereits fertig geplante Steuerreform nicht endlich umsetze. Und so bekommen israelische Wagniskapital-Fonds in diesen Tagen Probleme mit ihren ausländischen Geldgebern: "Aufgrund der ungeklärten Situation haben wir einem Mandanten empfohlen, sich nicht an einem israelischen Fonds zu beteiligen, sondern einen Parallelfonds in Deutschland zu gründen", sagt Christian Birkholz, VC-Experte bei der Sozietät Baker & Mc Kenzie in Berlin. Doch das Wirtschaftswunder von Israel wurde zu einem großen Teil durch ausländische Investoren getragen: Vergangenes Jahr erreichten Investments aus dem Ausland mit 3,2 Mrd. $ einen neuen Höhepunkt. Das Geld kam nicht von allein: Anfang der 90er-Jahre stellte Yigal Erlich, wissenschaftlicher Chefberater des Ministers für Industrie und Handel in Israel, fest, dass junge Hightech-Firmen nicht genug gefördert wurden. Eine Venture-Capital-Branche wie in den USA existierte zu dieser Zeit in Israel noch nicht. Ende 1992 stellte die Regierung 100 Mill. $ für den ersten, regierungseigenen Fond Yozma ("Unternehme") bereit, den Erlich mit einem Team erfolgreich managte. Mehr als 100 weitere, private Fonds folgten. Das meiste ausländische Geld kommt zwar noch immer aus den USA, aber auch deutsche Unternehmen wie Siemens, Deutsche Telekom, Deutsche Bank, Daimler-Chrysler und Bayer beteiligen sich seit Jahren an innovativen israelischen Firmen. Anfang 2001 investierte der Software-Konzern SAP in Israel 400 Mill. $ und übernahm Toptier, einen Entwickler von Unternehmensinformations -Software. Das meiste Geld fließt zurzeit in die Kommunikationsbranche, besonders in Glasfaser- und Breitband-Technologien. Investments in Internet-Startups sind dagegen auch in Israel stark gesunken. Zurzeit treten allerdings die Geldgeber auf die Bremse, die Zahl der Investments in junge Firmen ging laut Branchenbeobachter IVC im ersten Quartal dieses Jahres um 44 % zurück. Die Giga Group bestätigt in einer aktuellen Studie, dass Investments auch wegen der Unruhen verschoben würden. Die Marktforscher gewinnen wie Eddy Shalev, Partner beim VC Genesis Partners, der Lage aber auch etwas Positives ab: Sie glauben, dass jetzt die Zeit zum Investieren ist. Grund: Die Bewertungen junger Firmen seien auch in Israel stark gesunken. Das ändere aber nichts an den nach wie vor gut entwickelten Firmen. Shalev rechnet damit, dass die Investments bereits im kommenden Jahr wieder steigen.
Doch auch wenn das Geld weiter fließt - die Zahl der ausländischen Besucher dürfte erst einmal sinken. Beispiel TFG-Mann Schumacher: Alle zwei Monate reiste er bislang nach Israel. Mittlerweile aber überlegt er sich genau, ob ein Flug nach Israel notwendig ist. In einer Filiale der Restaurantkette, in der vor kurzem eine Bombe detonierte, hat er auch schon einmal gesessen: "Da kommt man schon ins Grübeln." DAS WIRTSCHAFTSWUNDER VON ISRAEL. Der immense Beitrag des Hightech- Sektors zum allgemeinen Wirtschaftswachstum in Israel zeigt sich auch in den Statistiken. Während die industrielle Produktion um 10 % im Jahre 2000 wuchs, gegenüber nur 2 % mittlerem jährlichen Wachstum in den vorausgegangenen drei Jahren, stieg die Produktion aus Bereichen der modernen Technologien um 25 % an. Die israelische Jugend nimmt sich die Gründer von ICQ zum Vorbild, die den ersten Instant Messenger entwickelten, ein Programm zur direkten Kommunikation zwischen zwei Surfern. Für 400 Mill. $ verkauften die ICQ-Entwickler ihr Unternehmen an AOL. In Israel leben mehr gut ausgebildete Wissenschaftler als sonst auf der Welt. 14 Vertreter dieser Berufsgrup
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